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Integration


Nachbarn lernen sich im Musical kennen

 

20.06.2019

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Tanz, Musik und kesse Worte: Das Musical, bei dem die künftigen Nachbarn gemeinsam auf der Bühne standen, warb dafür, die Nuancen des Lebens zuzulassen. Foto: Karina Hoppe

 

Das Musical, das Seehäuser Grundschüler mit ihren künftigen gehandicapten Nachbarn einstudierten, war ein Volltreffer.

Von Karina Hoppe

 

 

Seehausen l Nach der Vorführung wurde Kathrin plötzlich komisch. „Sie hat wohl heute noch gar nicht richtig gegessen“, sagte Hanna und wandte sich – Kathrin an der Hand – hilfesuchend an die Erwachsenen. Das ist an sich schon schön, aber im Kontext von Donnerstag nochmal so schön. Denn ohne das Musical unter dem Titel „Nebeneinander - Miteinander“ hätten sich die beiden gar nicht kennengelernt. Jetzt sind sie Freundinnen und Hanna freut sich schon, wenn Kathrin endlich kommt. „Dann kann ich mal zu ihr rüber gehen.“ Bingo! Konzept aufgegangen! Denn das selbst ausgedachte Musical, das rund 70 Dritt- und Viertklässler gemeinsam mit vier Bewohnern der Heilpädagogischen Einrichtung Königsmark (Diakonie) einstudiert haben, sollte ja genau dazu dienen, dass Vorbehalte unter­einander abgebaut werden. Und zwar, bevor die Einrichtung in Bälde neben die Grundschule Seehausen zieht.

 

Einfach das Leben nachgespielt

Schulförderverein, Diakoniewerk und Aktion Mensch zogen für das integrative Projekt an einem Strang. Die Seehäuserin Petra Panse hatte die Idee und holte sich Akteure mit ins Boot. Auch Claudia Preuschoff, die Regie führte über ein Stück, das genau das thematisierte, worum es ging: Da kommen welche, die kaufen ein Grundstück für eine Einrichtung mit Menschen, die ein Handicap haben und Tiere mitbringen wollen. Da gibt es natürlich Vorbehalte! Die im Stück ausgeräumt werden und nicht nur dort. Denn wie Claudia Preuschoff erzählte, gab es beim Üben natürlich anfängliche Berührungsängste. Schwingungen, wegen derer die Bewohnerinnen aus Königsmark nicht mehr kommen wollten. Aber Claudia Preuschoff hat Tacheles geredet. „Stellt Euch vor, ihr hättet eine Schwester, die ein Handicap hat. Seid froh, dass ihr gesund seid“, habe sie den Kinder gesagt. Dann gab‘s eine große Entschuldigung – und es lief. „Sie lernen ja auch von uns“, sagte Landrat Carsten Wulfänger (CDU), der „statt eines Eintrittsgeldes“ einen Karton mit „Nährstangen“ mitbrachte und alle Beteiligten beglückwünschte. „Wir reden zu oft übereinander statt miteinander.“

Sven Peuker, der Schulchorleiter, hat für die Aufführung in seinen Kindheitserinnerungen gekramt, unter anderem Frank Schöbels „Komm, wir malen eine Sonne“ aufgewärmt und sich auch Kerstin Otts Hit „Komm, lass uns die Welt bemalen“ gefallen lassen. Dazu noch Eigenes – und wenig gemeinsame Proben mit den Theaterleuten, weswegen der gestrige erste Auftritt – am späten Nachmittag gab`s einen zweiten – eigentlich die Generalprobe gewesen sei. Eine, die gelang und nicht zuletzt wegen der vielen schönen Verszeilen auch die Erwachsenen sehr berührte. „Kinder, die immer nur leise sind, die gibt es nicht“, hieß es da und „Lieder, die wie Brücken sind, die braucht jeder mal, jede Frau und jedes Kind“. Lennard aus Lichterfelde, der „Bob den Baumeister“ spielte, sei jedenfalls über sich hinaus gewachsen, sagte Schulleiter Reinhard Rieger. Maksim gab einen super Bürgermeister ab und Lucas einen cleveren Architekten. Kinder zogen bei der Hitze in der Aula ein Schafskostüm an oder rappten als „Rapp-Hühner“ über die Bühne. Und Kathrin aus der Königsmarker Einrichtung hat ihre Bewegungsrolle auch super gespielt. Dass sie nach der Aufführung erstmal jemanden fragen musste, wie alt sie nochmal ist, wunderte Freundin Hanna. „Was? Du weißt das nicht?“ Hanna nahm es aber gelassen, hielt ihre Kathrin nur noch fester im Arm. 26? „Krass. Das hätt ich nicht gedacht.“

 

 

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16 Jahre Altersunterschied. Na und? Da Kathrin (l.) besonders ist, hat Hanna sie durch das Musical auch besonders lieb gewonnen. Foto: Karina Hoppe

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Gemeinsam gärtnern: Vielleicht gibt es das bald in Seehausen. Auf der Bühne hat es jedenfalls Spaß gemacht. Foto: Karina Hoppe

 


















Von einer ganz besonderen Erkenntnis

Auch Marlon hätte Kathrin „eher so auf 18 oder 19 geschätzt“. Der Lichterfelder gab im Stück den Reporter und sagte nach dem Stück, dass ihm die Worte Behinderung oder Handicap eigentlich nicht so gut gefallen. „Ich sage lieber besonders. Und besonders ist ja jeder irgendwie. Ich zum Beispiel stolpere immer über alles Mögliche rüber."




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